Taiji Quan - Einstieg

Der Weg ist das Ziel

Als Anfänger hat man so seine Probleme: Rücken gerade halten, nicht überdrehen, alles gleichzeitig bewegen oder ruhen ... und dabei immer schön entspannt bleiben. Mal abgesehen vom regelmäßigem Training ist auch etwas Hintergrundwissen zur Bewältigung dieser Aufgabe sehr nützlich:

Regeln | Kräfte | Atmung

Irgendwann stolpert man über die Aussage, dass bei den Kampfkünsten innere und äußere Stile unterschieden werden. Es gibt hierzu einen ganz guten Vergleich: Äußere Stile (z.B. Shaolin Kung Fu) sind wie ein Baum, innere Stile (z.B. Taiji Quan) sind wie ein Grashalm - der eine hart und stark, der andere flexibel im Wind. Beide sind aber stets fest verwurzelt.

Regeln

Goldene Grundregel:

Den Körper stets möglichst natürlich und entspannt bewegen! Also immer angepasst an das eigene Vermögen, nichts übertreiben oder ins Extreme führen ...

Die 3 wesentlichen Paarungen:

  • Schultern & Hüfte

    (bilden eine Einheit und sollten parallel geführt werden)

  • Ellbogen & Knie

    (sind sozusagen durch ein flexibles Band verbunden)

  • Hand & Fuß

    (sind sozusagen durch ein flexibles Band verbunden)

Zur Haltung:

  • Augen ⇒ auf fiktiven Gegner gerichtet
  • Zunge ⇒ leicht am Gaumen hinter den oberen Zähnen
  • Kinn ⇒ leicht nach hinten gezogen

    (= gerader Hals)

  • Schultern, Nacken ⇒ entspannt
  • Rücken ⇒ aufrecht

    (Schultern leicht zurück, Brust raus, Bauchnabel etwas einziehen)

  • Achsel ⇒ leicht geöffnet
  • Ellbogen ⇒ tiefer als Schulter

    (nie ganz durchstrecken!)

  • Arme ⇒ aus der Mitte geführt
  • Brust ⇒ entspannt
  • Taille ⁄ Hüfte ⇒ entspannt
  • Steißbein ⇒ gelöst, leicht nach vorne gesunken
  • Knie ⇒ leicht nach außen gedrückt

    (nie ganz durchstrecken, nie nach innen fallen lassen!)

  • Fuß ⇒ Gewicht möglichst auf den ganzen Fuß verteilt

    (den Fußballen nie überlasten!)

  • Schritte ⇒ Fuß wird sanft & ohne Gewichtung aufgesetzt

    (Fuß aufrollen bzw. abrollen)

  • Gewichtsverlagerung ⇒ immer aus der Mitte heraus
  • Bewegung ⇒ aus der Mitte

    (zuerst Körper, dann Arme)

Zur Richtung:

Für eine saubere & effiziente Ausführung ist es wesentlich, dass alle Drehungen (durch Schulter, Hüfte, Fuß etc.) in 45°-Schritten erfolgen.

Also z.B. den gerade nach vorne gerichteten Fuß aufrollen, auf der Ferse um 45° nach außen drehen und den Fuß wieder abrollen. Oder die Schulter 45° nach hinten drehen ...

Wer sich daran hält tut sich und seinem Körper was gutes - es wird kein Körperteil überdreht, die Standfestigkeit bleibt erhalten, die Orientierung fällt leichter und es gibt keinen Stress mit dem Meister ;-)

Der innere Ablauf:

  • Shen (Geist, Mentalität & mehr) ⇒ Die Vorstellungskraft ist ein wesentlicher Bestandteil der inneren Bewegung. Wenn die Hände z.B. nach vorne schieben und drücken sollen, brauch ich zuerst den Gedanken daran sowie die Vorstellung, was passieren wird.
  • Yi (Absicht, Intention) ⇒ Durch Shen bildet sich Yi. Sozusagen: Der Geist fragt, wie soll ich reagieren, die Intention ist die innerlich festgelegte Entscheidung, wie reagiert werden soll.
  • Qi ⇒ Um die festgelegte Absicht umzusetzen muß zunächst Energie in Bewegung gesetzt werden. Somit wird durch Yi das Qi geweckt.
  • Jin (trainierte, geführte Kraft) ⇒ Die kontrolliert geführte Energie, die z.B. die Hände nach vorne schiebt und drückt.

Also: Shen führt Yi, Yi führt Qi, Qi führt Jin. Wobei Jin nicht unbedingt nach außen geführt werden muß, mit Jin ist auch die Kraft gemeint, die den Körper gezielt bewegt (z.B. Hand nach oben, Gewicht verlagern etc.).

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Kräfte

Man soll die Kraft des Gegners nutzen, um diesen zu besiegen. Klar, aber wie funktioniert das wirklich? In der Physik gibt es ein klares Prinzip: Druck kann nur aufgebaut werden wenn es auch einen Gegendruck gibt. Je größer der Gegendruck, desto größer der Druck, der genutzt werden kann.

Auf die Energie des Gegners kann somit auf 2 Arten reagiert werden:
a) die gegnerische Energie ins Leere führen oder
b) die gegnerische Energie zum eigenen Druckaufbau für die Abwehr nutzen.

Wird die Energie des Gegners ins Leere geführt so kann sie nichts bewirken. Also dem Schlag ausweichen - meistens reicht es, den Oberkörper etwas zu drehen. Dies erreicht man am schnellsten durch Steuerung aus der Mitte heraus (Effizienz von Schultern & Hüfte als Einheit).

Um die gegnerische Energie für den eigenen Druckaufbau nutzen zu können ist es besonders wichtig, dass Hals, Rücken und Steißbein eine möglichst geradlinige Einheit bilden. Nur so kann die gegnerische Energie ohne Hindernis direkt durch das Bein zum Fuß und somit in den Boden gelangen.

Energie in den Boden = Basis für das oben erwähnte Physik-Prinzip: Durch den Widerstand des Bodens wird Gegendruck erzeugt, der nun als eigener Druck zurück zum Gegner geführt werden kann.

Daraus resultiert: Je mehr Energie der Gegner aufbringt, desto mehr Energie kann zurückgebracht werden. Und das ohne eigenen Kraftaufwand, den man hätte, wenn man selbst den Gegendruck erzeugen müsste.

Als toller Nebeneffekt wird dadurch auch die eigene Standfestigkeit erhöht.

Das ganze funktioniert allerdings nur dann, wenn die Linie Hals - Rücken - Steißbein stimmt. Ist z.B. der Körper verkrampft, der Hals nicht gerade oder das Steißbein zu weit vorne, kann der Gegner seinen Treffer "landen". Das Gleichgewicht wird dann gestört und es kann zu (eventuell sogar dramatischen) Verletzungen kommen.

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Atmung

Wie soll man bei den Abläufen atmen? Wie immer, wenn es mehrere Experten gibt, gibt es auch unterschiedliche Ansichten. Die einen bevorzugen eine Mund/Nase-Atmung, andere verteufeln diese und bestehen auf eine reine Nasen-Atmung. Manche unterscheiden auch noch Einatmer und Ausatmer. Einig sind sie sich nur in einer Sache: Nicht zu atmen ist auf Dauer ungesund.

Zumeist gelten doch folgende Regeln:

  • Einatmen ⇒ Bewegung zurück bzw. nach oben
    (z.B. beim Abwehren ⁄ Ausweichen)
  • Ausatmen ⇒ Bewegung nach vorne bzw. nach unten
    (z.B. beim Drücken ⁄ Stoss nach vorne)

Es gilt:
Nur nicht irre machen lassen, bei Unsicherheit einfach natürlich weiteratmen. Und üben, üben, üben ... ;-)

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© 2025 Lydia B.A. Schwarz   e-mail  

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